„Ich bin Wegbereiterin und Kreativitätsbombe“

Jennifer Schmoll, 32, ist Diakonin und arbeitet im Kirchenkreis Witzenhausen.

 

„Seltsam, an die Anfänge zu denken, nach sieben Jahren im Beruf. Ganz nüchtern betrachtet war es so: Ich hatte, wie ein Großteil meines damaligen Freundeskreises, Abitur gemacht. Und keinen Plan, was danach kommen sollte. Ein Jahr Nachdenken, dann kam ich drauf: Was mit Menschen sollte es sein! Die kleinen, quirligen…. Und die etwas größeren, aufmüpfigen…. Ein Studium der sozialen Arbeit? Nee. Zu verkopft, zu weit weg von denen, um die es gehen sollte. Ich entschied mich dann nach kurzer Recherche für die Ausbildung zur Erzieherin. Während der Ausbildung hatte ich verschiedene Praxiseinsätze, bei einem lernte ich eine Diakonin kennen. Der kirchliche Anklang ihrer Arbeit gefiel mir. Ihr Berufsethos auch. Glaube wurde mir wieder wichtig – und über Glauben zu reden. Ich absolvierte dann in dieser Einrichtung mein einjähriges Anerkennungspraktikum und machte nebenher, also berufsbegleitend, die Ausbildung zur Diakonin.

 

Sprung ins kalte Wasser

 

Und dann? Zack, Berufsleben. Ich bekam die erste (und einzige) Stelle, auf die ich mich beworben hatte, und bin seither Jugenddiakonin im kleinen weitläufigen Kirchenkreis Witzenhausen.

 

Eine irre Veränderung nach dem Schutzraum Ausbildung. Plötzlich zu hundert Prozent eigenverantwortlich, keine Praxisanleitung und Begleitung mehr… Ganz ehrlich? Es war auch ein wenig Glück dabei, dass alles glatt lief. Ebenso glücklich ist der Umstand, dass ich heute noch Inhaberin eben dieser Stelle bin. Das ist nicht selbstverständlich, denn die ersten Berufsjahre waren wirklich harte Schule. Ich lernte mein Arbeitsfeld kennen – fast allein. Es gab kaum Einarbeitung, Unterstützung fast nur auf kollegialer Seite.

 

Ich machte gute und schlechte Erfahrungen, lernte aber auch, mit Gegenwind umzugehen. Ich streite dabei weniger mit den Kindern und Jugendlichen als mit den Erwachsenen, die mir im beruflichen Kontext begegnen. Manchmal bin ich mehr damit beschäftigt, Steine aus dem Weg zu räumen, als mich mit denen zu beschäftigen, für die ich den Beruf eigentlich ergriffen hatte: den Kindern und Jugendlichen.

 

Mein Herz hängt dran

Klar, es gibt Berufe mit niedrigerem Stresspegel, familienfreundlicheren Arbeitszeiten, vielleicht auch mit mehr Wertschätzung und ganz sicher mit besserer Bezahlung. Dafür mache ich den Job allerdings nicht. Mein Herz hängt an der Arbeit. Und ich weiß inzwischen: Aus den meisten Steinen kann man Häuser bauen. Häuser, in denen Menschen wohnen. Junge Menschen, die ein sicheres Haus, eine Bleibe, ein Zuhause suchen und zu schätzen wissen. In Kirche. In Gemeinschaft. Im Glauben. Meine Arbeit bietet mir in breiter Vielfalt die Möglichkeit, jungen Menschen ein christlich geprägtes Wertesystem mit auf ihren Lebensweg zu geben, aktiv und praktisch, nicht nur theoretisch. Sie bekommen von mir das Angebot, gemeinsam ein sicheres Haus zu bauen. Es geht für mich darum, Glauben mit Außenwirkung zu leben und dabei Kirche – vielleicht sogar die Welt – aktiv mitzugestalten. Das macht meinen Beruf zur Berufung.

 

Immer noch Punk

Große Karrierepläne hatte ich nie. Ich habe auch niemals darüber nachgedacht, was ich sonst für Optionen gehabt hätte. Es hat sich bis hierher zwar nicht immer gut, aber trotzdem immer richtig angefühlt. Die Menschen, die Aufgaben, die Probleme, die Steine im Weg, die Leitern zum Mauern überspringen. In meinem Beruf bin ich Möglichmacherin. Ich bin nach wie vor Punk. Ich bin ein Gegenüber im Streit. Ich bin Entwicklungshelferin. Ich bin (Glaubens-)Übersetzerin. Ich bin Basteltante, Handwerkerin, Kreativitätsbombe. Ich bin Wegbereiterin. Ich bin seelischer Mülleimer für alle Probleme in Kindheit und Pubertät und jungem Erwachsensein. Und ich habe mehr helfende Brüder und Schwestern als manche Follower auf Instagram. Ich bin Jugenddiakonin, eine starke Frau in einem starken Beruf.“