Nils-Ole Krafft, 29, ist Bezirkskantor im Kirchenkreis Eder und Kantor an der Liebfrauenkirche in Frankenberg.
„Der Weg in diesen Beruf war bei mir nicht vorgezeichnet. Ich wuchs zwar in einem Musikerhaushalt auf, aber Religion spielte keine Rolle bei uns. Ich war getauft, ließ mich als Jugendlicher aber nicht konfirmieren. Irgendwann nahm ich ein paar Orgelstunden, ich weiß gar nicht warum, und fing Feuer: Ich begann mich für Kirchenmusik zu interessieren, in der örtlichen Kantorei zu singen und Konzerte zu besuchen. Noch während der Schulzeit nahm ich eine nebenberufliche Orgelstelle an und leitete einen Kirchenchor in Oberauroff. Dadurch näherte ich mich der Kirche und ihrer Inhalte stärker an. Die Konfirmation holte ich übrigens später nach. Als ich in meiner Heimatstadt ein vorzügliches Orgelkonzert hörte, wurde mir schlagartig klar, dass ich in meinem Leben nur noch dies machen wollte: Kirchenmusik.
Man kann den Menschen viel geben
Mein damaliges Vorbild war der Kirchenmusiker in meiner Heimatgemeinde. Durch ihn lernte ich dieses musikalische Berufsbild früh mit seinen vielen Facetten kennen. Aufgaben wie die Chor- und Ensembleleitung, Orgelspiel liturgisch und konzertant, Unterrichten, die Organisation von Konzerten sind abwechslungsreich und spannend. Zugleich ist die Verantwortung für die Kirchenmusik einer Gemeinde oder eines Bezirkes auch nicht einsam, sondern gekennzeichnet durch den Umgang mit Menschen. Man ist zentraler Bestandteil einer Gemeinde und kann so vielen Menschen etwas geben. Ein Künstler und bei den Menschen sein – das wollte ich auch erreichen.
Stressiges Studium mit wunderbaren Momenten
Das Kirchenmusikstudium (Abschluss: Diplom A) an der Frankfurter Musikhochschule war die bislang prägendste Zeit meines Lebens. Der Fokus lag bei uns eher auf der Kunst als auf der Gemeindepädagogik. Das ist von Hochschule zu Hochschule verschieden. Für mich war es jedenfalls genau das Richtige. Das Studium war nicht immer leicht, und die gewaltige Anzahl an Fächern und die vielen Einzelunterrichtsstunden waren schlichtweg Stress. Oft musste ich auch Misserfolge oder Rückschläge in Kauf nehmen.
Die wunderbaren Momente jedoch überwogen bei weitem: Die großen Orgelwerke spielen, von denen man immer träumte… die ersten richtig guten Chöre dirigieren… die vielen wunderbaren Menschen treffen… Ich war begeistert und habe die Entscheidung nie bereut. Im Gegenteil: Um diese wundervolle Umgebung noch weiter spüren zu können, hing ich noch ein viersemestriges künstlerisches Masterstudium Orgel an.
Kein Schreibtischjob
Nach dem Studium hatte ich das Glück, schnell eine Stelle an einer hübschen Stadtkirche zu finden. Diese liegt in Frankenberg, einer etwas kleineren Stadt mit intaktem kirchlichem Leben. Die Arbeit bestätigt mich darin, dass ich die richtige Berufswahl getroffen hatte. Praktisches Musizieren und der Kontakt mit den Menschen bleiben die Hauptsäulen dieser Tätigkeit. Häufig hört man, dass Kirchenmusiker nur noch im Büro sitzen müssten und kaum noch zur Musik selbst kämen. Bei mir ist es nicht so. Ich bin sehr dankbar, dass ich in der privilegierten Situation bin, mein Geld in so einem außergewöhnlichen und schönen Beruf zu verdienen. Ich hoffe sehr und arbeite dafür, dass die Kirchenmusik auch in Zukunft zentraler Teil der Verkündigung und unseres kulturellen Erbes bleiben wird und viele Menschen sich von ihr mitreißen lassen werden.“